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Freitag, 22. Dezember 2017

Abenteuer Leben Nr. 22: Wenn du in deinem Körper wohnst



Bist du in deinem eigenen Körper zu Hause? Fühlst du dich mit dir selber wohl? Kannst du dich riechen? Auch dann noch, wenn du verschwitzt bist? Wenn du mit schmutzigen Händen aus dem Garten kommst? Nimmst du dich wahr als Kind der Erde, des Lehmes? Oder doch eher als Kind des Himmels, als Engel? Am liebsten körperlos? Den Körper los?

Betritt den Stall von Bethlehem mit dem Geruch von Ochs und Esel und den Windeln des Kindes. Den Ausdünstungen von Maria, Josef, den Hirten und den Schafen. Tiere und Menschen dort sind ein total körperlicher Teil dieser Welt. Hier kannst du gut im eigenen Körper ankommen. Ja  zu dir sagen mit allem, was zu dir gehört. Dein schmales, spitzes oder breites und gutmütiges Gesicht. Deine Körperfülle und deine Schmächtigkeit. Deine Gebrechen und Zipperlein. Dein Schnupfen und deine Robustheit. Deine Hypersensibilität und Feinfühligkeit und deine groben und holzschnittartigen Bewegungen. Du betrittst den Stall und nimmst diesen Geruch in dich auf. Du sagst total Ja zu deinem körperlichen Leben hier und jetzt. Dein Körper ist das „Material“, mit dem du das Abenteuer leben angehst. Du hast kein anderes. Aber genau das, was du hast, steht dir zur Verfügung. Spürst du die Grenzen oder nutzt du deine Chancen? 

Montag, 20. November 2017

Vom Seiltänzer lernen!


Von einem Seiltänzer hörte ich die Worte, die er Kindern beibringt, wenn sie auf das Seil wollen. "Schau dahin wo du hin willst! Wenn du auf den Boden schaust - willst du da hin!"
Den Gedanken fand ich interessant. Wenn ich mich auf das Seil stelle, dann muss ich das Ziel vor mir ins Auge fassen und mich darauf konzentrieren. Dann schleicht die Angst hoch und der Gedanke kommt: "Ich könnte fallen!" Ich schaue nach unten. Ich sehe den Abgrund und  - ich falle. Ich lenke also meine Gedanken vom Ziel vor mir um hin zum Ziel unter mir.
Auch, wenn ich mir sage, dass ich zum Boden nicht hin will - das Unterbewusstsein kann "nicht" ja nicht denken. Es denkt immer positiv. Wenn ich zum Boden schaue und nicht fallen will, programmiere ich mich auf das Fallen. Automatisch!
Der Seiltänzer ist also mit seiner ganzen Aufmerksamkeit auf das Ziel ausgerichtet, das vor ihm liegt. Wie gehst du um mit deinen Zielen? Bist du auf dein Ziel auch ausgerichtet? Mit wie viel Prozent deiner Energie und deiner Achtsamkeit? Lässt du es zu, dass sich "Absturzgedanken" einschleichen? Wenn du das zulässt, hast du schon verloren. Du verkrampfst auf dem Seil deines Lebens und du hörst auf zu tanzen.
Dein Leben gleicht einem ständigen Tanz. Du tanzt und unter dir lauert der Abgrund. Der Abgrund ist da, auch wenn du kein professioneller Seiltänzer bist. Du setzt dich ins Auto und fährst los. Du bewegst dich unter den vielen Autos auf der Autobahn. Kommt dir der Gedanke, dass du sterben könntest? Dass Autofahren total gefährlich ist? Dass du ein unglaubliches Risiko eingehst?
Und wenn du dein Gemüse isst? Weißt du zu hundert Prozent, dass es keine Pestizide enthält? Und wenn du liebst oder in einer Beziehung lebst. Kannst du dich wirklich und total darauf verlassen, dass deine Liebe erwidert wird?
Du tanzt und unter deinen Füßen lauert der Abgrund der Angst. Die Angst sagt dir ständig, dass das Leben nicht sicher ist. Überhaupt nicht! Und? Gehst du mit meinen Gedanken mit oder hast du "STOPP!" gemacht! Bist du bei deinem Ziel geblieben? Der Abgrund ist da. Das Ziel auch. Und du, du tanzt!
Da taucht in mir das Bild auf von einem Menschen, der wie auf heißen Kohlen tanzt. Er möchte sich nicht verbrennen und springt ständig hin und her um sein Leben zu schonen. Du kannst auch so auf dem Seil des Lebens tanzen. Immer mit der Bedrohung im Herzen - da sind die glühenden Kohlen.
Oder du entspannst dich, wirst gelassen und gehst in die Freude des Tanzens. "Schau da hin, wo du hinwillst. Wenn du auf den Boden schaust - dann willst du da hin!"
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Samstag, 11. November 2017

Spring doch mal über deinen Schatten!

Das sagt sich so leicht: "Spring doch mal über deinen Schatten!" Mach einmal etwas, was du sonst nicht tust. Es entspricht nicht deinen Gewohnheiten. Du schämst dich, wenn du es tätest. Es geht dir gegen den Strich. Es spricht gegen deine Glaubensüberzeugungen.
Du willst z.B. gerecht sein. Gerechtigkeit ist eines deiner höchsten Werte. Wenn du etwas tun müsstest was ungerecht wäre, würdest du es nie machen. Du müsstest da über deinen Schatten springen.
Genau betrachtet funktioniert das eigentlich gar nicht. Kein Mensch kann über seinen Schatten springen. Wenn du springst springt dein Schatten immer mit. Der lässt sich nicht austrixen. Dein Schatten gehört zu dir. Du kannst ihm nicht ausweichen. Du kannst dich wegdrehen und ihn nicht sehen. Aber er bleibt da. Und du weißt es. Schatten haben es an sich, in der Regel nicht gemocht zu werden. Darum führen sie ja auch ein Schattendasein. Der Schatten beinhaltet die Eigenschaften, die wir an uns gar nicht mögen. Wir verleugnen sie sogar. Wir sehen sie beim Gegenüber und regen uns fürchterlich darüber auf. Aber dass diese bestimmte Eigenschaft des anderen auch zu uns gehört würden wir strikt ablehnen. Wir Menschen sind häufig Künstler darin, unseren Schatten so zu verbergen, dass wir ihn selber nicht mehr sehen oder wahrnehmen können.
Aber auch wenn wir ihn nicht sehen, bleibt er uns erhalten und geht jeden Schritt mit uns. Tag und Nacht. Er beeinflusst unser Leben und unsere Entscheidungen. Je mehr wir ihn verleugnen, desto wirksamer setzt er sich in Szene.
Es gibt jedoch eine Möglichkeit, den Schatten zu verändern. Wenn Licht dahin fällt. Wenn Licht auf den Schatten fällt, dann verschwindet er. Das gilt im bildlichen und auch im übertragenen Sinn.
Wenn du Licht auf die Eigenschaften richtest, die du nicht magst und liebevoll damit umzugehen lernst, wird der Schatten immer kürzer. Der lange Schatten verkürzt sich und kommt auf dich zu. In dieser Phase lernst du dein "Geister" und "Gespenster" so richtig kennen.
Bei einem ganz bestimmten Sonnenstand verschwindet der Schatten fast gänzlich. Du lässt zu, dass überall Licht einfallen darf auf deine Schattenseiten. So geht der Prozess der Erleuchtung! Du entscheidest dich für  einen Friedens- und Versöhnungsprozess, den Schatten zu integrieren und als einen Teil deiner selbst anzunehmen.
Leider musst du diese Übungen täglich machen. Solange wir Menschen existieren wird es auch die Neigung zum Schatten geben. Er gehört zu uns dazu. Mal mehr und mal weniger. Wann bist du das letzte mal über deinen Schatten gesprungen und wie ist es dir bekommen? Wie hast du das geschafft?
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Donnerstag, 9. November 2017

Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis (Platon)


Alles hat einen Anfang! Auch die Erkenntnis fängt mit etwas an. Wie läuft ein Erkenntnisprozess? Ich werde zuerst mit einer Idee konfrontiert oder einem Ereignis. Das Erlebte verarbeite ich und ich denke darüber nach. Am Ende des Denkprozesses gibt es ein Ergebnis: Die Erkenntnis.
Jetzt hat Platon eine interessante Idee. Am Ende steht die Erkenntnis und am Anfang ist das Staunen. Das "Staunen" ist eine wunderbare Gabe für uns Menschen. Wann hast du das letzte Mal gestaunt? Kinder staunen ständig! Wenn du ihnen etwas erzählst, dann werden die Augen ganz groß und sie sperren den Mund auf. Sie sagen laut: "Oooooh!" und "Aaaaaah!" Sie sind ganz außer sich und völlig erfüllt von dem Erleben. Sie saugen das Gesehene oder Gehörte förmlich in sich auf. Sie erschaudern und sind tief bewegt. Sie wollen mehr davon. Sie wollen es tiefer erfassen.
Wir Erwachsenen sind da schon viel abgebrühter. Es muss schon ein Smartphone mit besonderen technischen Raffinessen sein, das uns staunen lässt. Wenn ich im Urlaub ans Meer fahre dann staune ich über die Weite! Wenn ich in die Berge fahre dann staune ich über die Erhabenheit! Wenn ich dann jeden Tag aufs Meer schaue verändert es sich schon. Das Staunen wird geringer, die Selbstverständlichkeit wächst. Wir tauschen das "Staunen" gegen die "Macht der Gewohnheit." Ja, die Gewohnheiten sind auf die Dauer mächtiger als das Staunen. Schade eigentlich! Wenn wir nicht mehr staunen können nach Platon, dann hören auch die Erkenntnisse auf. Wir nehmen ja nichts mehr wirklich wahr. Wir gehen daran vorbei.
Du kannst ja auch nicht immer ans Meer oder in die Berge fahren damit du mal staunen kannst. Manche Menschen brauchen immer den letzten Kick damit sie sich das Staunen erhalten können, und das "Ooooh"-Gefühl. Wenn ich heute wieder verstärkt staunen möchte dann braucht es mehr Aufmerksamkeit. Ich blicke in den Garten und schaue mir die Eibe an. Das mache ich über einen längeren Zeitraum. Ich beobachte die Meisen, die darin herumhüpfen und Beeren picken. Ich nehme die Schönheit des Baumes wahr und vertiefe mich in das immerwährende Grün. Ich merke, wie das Staunen sich so langsam im Körper ausbreitet. Ich lebe Seite an Seite mit einem Baum, der jeden Tag ganz zuverlässig an seinem Platz steht. Jahr für Jahr! Jeden Tag und ohne Ausnahme steht er da in seinem Grün und gibt mir Schatten und den Vögeln Nahrung.
Meine Aufmerksamkeit geht jetzt am Frühstückstisch zu meinem Lieblingsbäcker. Ich mag sein Brot. Ich kann es jeden Tag essen. Mir wird es nicht überdrüssig. Er backt es zuverlässig jeden Tag für mich. Ich staune über die Kontinuität. Kuchen kann ich nur ab und zu genießen. Frischen Brot mag ich jeden Tag. Und wiederum breitet sich ein langsames und stetiges Staunen aus.
"Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis." Das hieße für mich, bei jedem Anfang dem Staunen mehr Chancen zu geben, wenn sich in mir so ein Gewohnheitsgefühl breitgemacht hat. Ich lade dich ein zum Staunen über all die vielen Anfangssituationen, die dir geschenkt werden im Leben.
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Mittwoch, 1. November 2017

Jetzt ist es rund!



Du liebst es, wenn etwas sich so richtig rund anfühlt, nicht wahr? Du hast zu deinem Geburtstag eingeladen. Die Gäste waren da und die Stimmung war prächtig. Das Essen hat geschmeckt und alle haben sich gut verstanden. Wenn die Gäste gegangen sind setzt du dich mit einem Glas Wein gemütlich auf das Sofa und blickst zurück mit der Erkenntnis: „Das war so richtig rund!“
Wenn ein neues Projekt anläuft dann gibt es zu Beginn häufig noch Ecken und Kanten. Wir sagen: „Es läuft noch nicht richtig rund. Wir müssen noch nachbessern.“ Beim Einkaufen wird schon einmal auf- oder abgerundet mit dem Ziel der Vereinfachung und dem Wunsch, es runder zu machen.
Braut und Bräutigam stecken sich beim Ja-Wort den Ring an den Finger. Der Ring ist rund, glatt, kostbar, glänzend. Als wollte der Ring das ausdrücken, was sich das Paar wünscht. Die Beziehung möge rund und glatt sein. Ohne Dellen und Blessuren. Ohne Kratzer und Verletzungen. Die Liebe möge glänzen und leuchten. Eben rund sein! Du stellst dir vor, dass du am Ende des Ehe-Weges voll und ganz „Ja“ sagen kannst wenn der Tod euch scheidet.
Im November blicken wir zum Einen auf die Ernte zurück.  Und zugleich sehen wir in der Natur, dass alles sich vorbereitet auf die Winterruhe. Nicht umsonst verorten wir hier die Totengedenktage. Bei Beerdigungen tragen Angehörige oft den Wunsch in sich, dass beim Abschied alles rund sein möge. Eine persönliche Feier. Eine positive Bilanz für den Verstorbenen, die rund ausfällt, damit die Familienmitglieder gut abschließen und beruhigt weiter gehen können. Keine Gespenster von unerledigten Geschäften und Gefühlen!
Meine Gedanken möchte ich gerne mit folgender Geschichte ins Wort bringen.
Jetzt ist es rund!
Der Großvater schlug in den Balken der Holzhütte den letzten Nagel ein und trat einen Schritt zurück. Dann schaute er stolz seinen Enkel Tim an und sagte zu ihm: „Jetzt ist es rund, nicht wahr Tim?“
Tim verstand aber nicht, was sein Großvater meinte. „Was meinst du damit, dass es rund ist. Die Hütte ist doch sehr gerade geworden. Die Balken sind gerade, das Dach ist gerade und die Fenster auch. Alles ist wunderschön gerade und genau richtig geworden.“ „Ja genau,“ sagte da der Großvater, „das meinte ich ja, es ist alles so richtig rund geworden.“ Dann erklärte er seinem Enkel, was er damit meinte. „Das sagt man halt so. Wenn du so richtig zufrieden bist mit deiner Arbeit und alles gut gelaufen ist. Wenn du dich freust und dein Werk dir anschaust, dann mag eine Hütte vielleicht eckig bleiben, aber es fühlt sich so rund an. Rund ist einfach nur ein gutes Gefühl.“
„Ich verstehe, was du meinst,“ sagte dann Tim nachdenklich zum Großvater. „Wenn ich in der Schule eine Arbeit habe und am Ende das Heft zumache und alles aufgeschrieben habe was ich wusste, dann fühlt es sich auch manchmal rund an, nicht wahr?“ Der Großvater nickte und gemeinsam standen sie vor der Hütte, die so exakt eckig aber zugleich auch so rund war.
Beim Betrachten der wundervollen Hütte sah Tim plötzlich einen langen Riss in einem der Balken. „Schau mal Großvater, es ist doch nicht so rund, wie du gedacht hast. Siehst du den Riss dort im Balken. Die Hütte ist nicht perfekt. Was sollen wir jetzt machen?“
Da schaute sich der Großvater den Riss genauer an und kam zu dem Urteil: „Der Riss macht nichts. Die Hütte steht und wird diesen kleinen Riss vertragen.“ Dann inspizierten sie noch einmal die Hütte und entdeckten beim genaueren Hinsehen hier eine Macke, dort einen Riss und hier und da eine Unebenheit.  Da wurde Tim sehr traurig. „Ach Großvater, es war doch alles so rund und jetzt fühlt es sich so eckig an. Die Hütte finde ich jetzt gar nicht mehr schön!“
Der Großvater ließ sich jedoch nicht beirren. „Nichts ist perfekt. Weder die Hütte noch deine Schularbeiten noch sonst etwas. Es kommt auf den Gesamteindruck an. Insgesamt bleibt unsere Hütte rund. Und wenn du genau hinschaust, dann machen die kleinen Risse und Macken doch erst unsere Hütte aus! Die Risse und Macken machen unsere Hütte unverwechselbar!“
Da wischte sich Tim die letzten Tränen aus seinem Gesicht und schaute zufrieden seinen Großvater an. „Ja“, sagte er, „du und ich. Wenn wir zusammen etwas machen, dann ist es rund, egal was dabei herauskommt. Du und ich, wir zwei zusammen, das ist so richtig rund. Viel runder als jede Hütte.“
Tief in uns Menschen gibt es den Wunsch nach einem absoluten „Ja“ zu einem gelingenden Leben. Die „Paradiessehnsucht“ begleitet uns und treibt uns voran. Am Ende des Lebens möge alles rund sein. Wenn es dann nicht die Einschränkungen gäbe! Wenn du stirbst hinterlässt du viele positive Werte. Aber auch deine Hypotheken, Verletzungen und Kränkungen gegenüber deinen Angehörigen. Die unvollendeten Aufgaben! Deine Fehler und Unzulänglichkeiten hinterlassen eine so deutliche Spur wie auch deine gelungenen Anteile. Wie du es drehst und wendest: Dein Lebensring ist zugleich rund und besitzt Scharten und Schrammen. Mit dieser „Hypothek“ muss deine Nachwelt weiterleben.
Neben deinem Leben wird die ganze Welt „eckig“ bleiben, bis sie in das Göttliche des Ganzen jenseits und am Ende der Zeiten zurückkehrt. Zugleich jedoch wird sie ebenfalls die runden Anteile haben – immer dann, wenn die Liebe zum Zuge kommt. Das Eckige und Kantige ist nicht immer leicht zu tragen und zu ertragen. „Ich hätte es so gerne rund!“ Da gibt es den Schönheitsfehler bei der Geburtstagsfeier, dass ein Gast sich daneben benommen hat. Da gibt es den Schmerz, dass du nicht das passende Geschenk gefunden hast für Weihnachten. Da hast du deinen Arbeitskollegen gekränkt und konntest es nicht wieder gut machen. Schau dir einmal in einer Mußestunde den Scherbenhaufen an, an dem du irgendwie mit beteiligt warst. Schau dir in dieser Mußestunde aber auch alle die vielen runden Dinge deines Lebensjahres an. Welche bunten Luftballons durften aufsteigen und den Himmel verschönern? Wie viele runde Smileys hast du Menschen geschenkt oder entgegengenommen? Mach nicht die Bilanz und wäge ab, ob es mehr Eckiges oder Rundes gab. Du landest dann zu schnell in eine Wertung, die dich unzufrieden macht.
Vielleicht kommst du ja zur Erkenntnis, dass das Raue und Eckige auch da sein darf. Dann kann wie in der Geschichte beides mit einem großen „Ja!“ nebeneinander und miteinander stehen bleiben. Rund und eckig ergibt? Mir fällt das Bild einer runden Kartoffel ein, die im Laufe der Zeit runzelig und schrumpelig wird. Das Runde ist noch deutlich erkennbar und wunderschöne Falten zeugen gleichzeitig von der langen Lebensgeschichte. So wie bei dir! Dein rundes Gesicht wird vielleicht auch ein wenig runzelig im November deines Lebens. Hoffentlich gehst du gnädig und liebevoll mit dir um, wenn du dann in den Spiegel schaust und bei dir das Runde und Eckige erkennst. 
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Dienstag, 31. Oktober 2017

Absolut!


Ich habe an einer Weiterbildung teilgenommen. Der Referent hatte ein Lieblingswort: "Absolut!"
"Ist es in Ordnung, dass ich einem Klienten etwas so sagen kann?" - "Absolut!"
Jegliches "Ja" wurde zu einem "Absolut". Schade! Ich mag die Unterschiede. Auch bei einer Zustimmung.
Da gibt es doch die vielen "Ja" - Möglichkeiten wie vielleicht, ein wenig, richtig, genau, ich stimme zu, ganz gut, ja mit einer kleinen Einschränkung, jein, nein mit einer Ausnahme...
Wenn es nur ein "Absolut" gibt, gibt es auch keine Steigerung mehr. Alles und jedes ist "Absolut!"
"Liebst du mich?" - "Absolut!"
"Gefällt dir mein neuer Pullover?" - "Absolut!"
Das Absolute in der Philosophie meint die Loslösung von allen Einschränkungen. Ein völliges Ja ohne jeden Funken von Nein. Manche sehen darin eine göttliche Qualität. Nur Gott ist der "Absolute!" Alles Menschliche hat immer eine Einschränkung, wenigstens eine kleine!
Meine Freundin sitzt gerade neben mir und findet das "absolut" von dem Referenten ganz toll! Sie sieht es als wunderbare Wertschätzung und setzt ein breites Strahlen auf. Sie mag schon jetzt den Referenten - ohne dass sie ihn kennt. Er muss "absolut" nett sein. Die Westwestfalen und übrigens auch die Ostwestfalen sind eher sparsam mit "absoluten" Wertschätzungen. "War nicht schlecht!" ist die westfälische Art von "absolut toll."
Ich finde es übrigens absolut in Ordnung, wenn du meinen Gedanken nicht teilst! ;-)

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Samstag, 28. Oktober 2017

Rede wie Silber und schweige wie Gold!


So geht ja das Sprichwort eigentlich: "Reden ist Silber. Schweigen ist Gold!" Ein feierliches Abschlusswort eines Menschen, der nicht zum Kreis der Schwätzer, Denunzianten und Intriganten gehört. Ein Mensch, der auf die Kraft des Schweigens vertraut! Reden ist ganz in Ordnung, aber Schweigen ist auf jeden Fall besser. Silber ist wertvoll, aber Gold ist noch wertvoller.
Dadurch, dass "reden" und "schweigen" in einem Zusammenhang gesetzt werden geschieht zugleich eine Wertung.
Silber hat doch eine ganz eigene und besondere Qualität. Silber ist sehr kostbar. Manche Menschen können sehr gut Silberschmuck tragen. Sie sehen damit wunderbar und würdig aus! Eine Augenweide! Alte Menschen mit "silbernem" Haar wirken erfahren und weise!
Gold hat auch eine ganz eigene und besondere Qualität. Gold ist sehr kostbar. Manche Menschen können sehr gut Goldschmuck tragen. Sie sehen damit wunderbar und außergewöhnlich aus! Eine Augenweide! Menschen mit Gold in der Stimme erfreuen das Herz der Zuhörer!
Reden hat eine wunderbare Qualität! Darin besteht die Hälfte der Kommunikation! Reden auf der einen Seite und zuhören auf der anderen Seite. Toll, wenn jemand über seine Gefühle sprechen kann! Einladend, wenn jemand wohltuende Worte findet! Was täten wir ohne die Geschichtenfinder- und erzählerInnen! Durch das Reden werden ganze Welten erfunden. "Am Anfang war das Wort!" steht schon in der Bibel. Du kannst natürlich auch einfach drauflos quatschen! Darum wäre das schon wichtig, "Reden" mit "Silber" in einen Zusammenhang zu bringen. Etwa so: "Rede wie Silber!" Geh sorgfältig mit deinen Worten um! Achte darauf, was dein Reden beim Zuhörer auslösen kann! Finde ein gutes Maß! Zu wenig ist manchmal eben zu wenig. Und zu viel ist zu viel!
Schweigen hat eine wunderbare Qualität! Verteilt auf die vielen Stunden des Tages schweigst du lange Zeiten. Wenn du nachts im Bett deine Augen schließt trittst du ein in das große Schweigen! Im Schweigen kommt eine ganz neue Welt zu dir! Im Schweigen findest du Ruhe und Kraft! Es ist möglich, im Schweigen sich jenseits aller Worte zu verstehen. Du kannst aber auch schweigen, weil du gekränkt bist. Du verweigerst dich der Kommunikation bzw. des Redens. Du hältst den Mund, damit du nichts falsches sagen willst! Du schweigst halt lieber in Streitsituationen. Darum macht es Sinn, auf die Qualität des Schweigens zu achten! "Schweige wie Gold!" Werde dir dessen bewusst, dass es Art des Schweigens gibt, die wir Meditation oder Kontemplation nennen. Im Schweigen nimmst du das "Ganze" wahr. In der Bibel wird erzählt wie Gott am siebten Tag der Schöpfung ins Schweigen ging. Er ruhte aus! Auch Jesus ging für 40 Tage in die Wüste um eine "goldene" Schweigezeit mit Gott zu erleben.
Doch in der Kombination von "Reden wie Silber" und "Schweigen wie Gold" wird der Wert der einzelnen Qualitäten zerstört. Hilfreicher wäre es, ein Gespür dafür zu entwickeln, was zu welcher Zeit dran ist. Und dass du zugleich darauf achtest, dass deine Art zu reden und zu schweigen sich gut weiterentwickelt zu einer silbernen und goldenen Qualität.
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Samstag, 21. Oktober 2017

Wo liegt dein Venedig?


Vor ein paar Tagen las ich von Lippstadt als dem Venedig Westfalens. Kannte ich noch nicht! Dann begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass es die Venedig des Nordens gibt mit Giethoorn in Holland. Dazu kommen noch Amsterdam, Brügge, Kopenhagen und Friedrichstadt. Im Osten tummeln sich als Venedig Städte wie Dresden, Breslau und St. Petersburg. Im Westen gibt es auch Orte mit dem gleichen Beinamen wie Westport in Irland und Nantes in Frankreich. Um die Venedigs zu komplettieren wandern wir in den Süden nach Recife, Puerto de Mogan auf Gran Canaria und nach Bangkok.
Ergänzen wir dann noch die Vendigs für die Städte, die sich ein wenig zurücknehmen, dann gelangen wir zu den "Kleinvenedigs" nach Berlin, Colmar und Bamberg. Und mitten drin: Lippstadt, das Venedig in Westfalen! Herrlich!
Ein paar Venedigs habe ich bestimmt noch vergessen. Mir geht es jedoch um das Thema, das sich dahinter verbirgt. Wir möchten alle im Paradies leben. Ein paar Kanäle, schöne Häuser, Orte des Verweilens, ein Straßencafé. Einfach im Sein sein! Manchmal entscheiden wir uns für diesen Ort und fahren nach Venedig im Original. Wir haben die Hoffnung, dass sich da unsere Träume und Sehnsüchte erfüllen.
Die Sehnsucht treibt uns voran und zieht uns an sich. Das lässt sich auch gut vermarkten. Sobald eine Stadt ein wenig Venedig ausstrahlt, lässt sich das mit der Sehnsucht der Menschen verknüpfen nach dem Motto: "Komm nach Lippstadt und deine Seele findet, was sie sich wünscht!" Und so nebenbei lässt du den einen oder anderen Euro im dahinsiechenden emotionalen Sehnsuchtszustand fallen.
Das erinnert stark an die ersten Geschichten im Buch Genesis. Die Menschen verlieren ihr Paradies, weil sie von der verbotenen Frucht essen. Sie werden vertrieben, aber die Erinnerung bleibt und die Sehnsucht auch, wieder dahin zu finden.
Im psychologischen Sinn war unser erstes Paradies der Mutterleib. Den mussten wir verlassen bei der Geburt. Jeder Mensch trägt also eine Geschichte der Verlassenheit in sich. Und zugleich eine Geschichte der Sehnsucht. Ich will zurück! Zurück an dem Ort des Glückes.
"Venedig" wird zu einem modernen Bild unserer Sehnsucht. An das Paradies glaubt ja keiner mehr. Mit dem lässt sich auch kein Geld verdienen.
Wo liegt dein Venedig, wenn wir schon einmal bei dem Thema sind? Wann kannst du entspannen. Wo und was brauchst du dafür, wenn du etwas brauchst? Siechst du noch dahin in deiner Sehnsucht? Bist du also "süchtig" oder bist du schon angekommen? Bist du vielleicht noch verführbar? Wenn ja, wie stark? Welches "Venedig" steht dir zur Verfügung und nach welchem "Venedig" schmachtest du?
Wenn du magst, dann öffne doch mal dein Herz und schau da rein. Vielleicht entdeckst du, dass ein Stück Venedig dort verortet ist und du aufhören kannst mit dem Suchen. Frohes Entdecken!
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Montag, 2. Oktober 2017

Sich hingeben - oder die Kunst, Kastanien zu sammeln



Ich mag Kastanien. Wenn sie am Boden liegen weiß ich, dass der Herbst Einzug gehalten hat. Es kommen auch Erinnerungen hoch an meine Kindergarten und Schulzeit, wo wir aus diesen Kastanien und Streichhölzern Tiere gebastelt haben. Aber irgendwie ist diese Erinnerung nicht mit einer großen Emotion verbunden. Eigentlich könnte ich darum auch nicht viel zum Thema Kastanien schreiben und müsste hier einen Punkt machen. Bisher haben sie mich nicht wirklich angesprochen oder meine Aufmerksamkeit erregt. Im Augenblick beschäftigen sie mich dennoch vielleicht wegen der Zeit der Ernte.
Susanne berührt dieses Thema auf eine ganz besondere Weise und davon möchte ich gerne aus einem bestimmten Grund erzählen. Der Anlass sind natürlich die Kastanien, die du jetzt in der Natur finden kannst. Doch jetzt lasse ich einmal Susanne sprechen.
„Also, wenn ich Kastanien finden will, muss ich schon im Sommer anfangen. Wenn ich zum Beispiel umgezogen bin, dann weiß ich zunächst nicht, wo in meiner Umgebung Kastanienbäume stehen und ob sie frei zugänglich sind. Wenn ich im Herbst welche finden will, dann muss ich schon im Sommer Ausschau danach halten. Wichtig ist, dass ich sie dann auch kontinuierlich im Blick behalte. Wie weit sind sie? Wann fallen wohl die ersten zu Boden? Schließlich gibt es oft viele Interessenten dafür. Erzieherinnen, Kinder und andere Herbstsammler.
Da gibt es zunächst einmal diese Vorfreude, die plötzlich auftaucht. Bald ist es so weit! Der Zeitpunkt rückt immer näher. Die Bäume sind voll, aber noch will keine fallen. Ich muss mich noch gedulden. Zugleich muss ich ab einem bestimmten Zeitpunkt regelmäßig wiederkommen sonst verpasse ich den Augenblick, wo es losgeht.
Und irgendwann ist es so weit. Ich gehe zu den Bäumen hin und blicke erwartungsvoll auf den Boden. Ich sehe die ersten Kastanien in der stacheligen Hülle.
Mein Herz hüpft vor Freude über diesen Augenblick. Ich habe so lange gewartet und jetzt werde ich belohnt. Ich darf die erste Kastanie nehmen und sie auspacken. Und wenn ich Glück habe, erwische ich eine „Zwillingskastanie.“ Ich packe sie aus und sie glänzt in der Sonne. Ich halte dieses glänzende Etwas in meinen Händen und befühle es und streichle es und – stecke diesen Schatz schnell in meine Tasche. Meine erste Kastanie in diesem Jahr. Ich habe sie entdeckt! Niemand sonst! Es ist mein ganz persönlicher Schatz!
Davon möchte ich mehr! Das Ereignis möchte ich wiederholen. Ich sehe noch eine frische Kastanie auf dem Rasen  und noch eine. Eine um die andere stecke ich in meine Jackentasche und fühle mich glücklich und beseelt.
Diejenigen, die schon länger daliegen, interessieren mich nicht. Wenn sie auf die Straße fallen haben sie oft  schon eine Macke oder ihren Glanz verloren. Mich interessieren die heilen und glänzenden – und vor allem die eingepackten!
Es darf mir auch niemand beim Finden helfen oder Hinweise geben. Ich möchte selbst entdecken. Ich befinde mich in einem Finderausch. Es ist mein Finderausch und ich möchte mich dem hingeben. Irgendwann bin ich satt und die Kastanien liegen als Herbstdeko auf meinem Tisch. Und ich weiß, ich bin im Herbst angekommen.“
Ich stehe daneben und staune. Ich staune darüber, dass es möglich ist, eine solche Leidenschaft zu entwickeln für das Kastaniensammeln. Ich staune über die Details und das Ausmaß der Freude. Und es ist ein Geschenk, teilnehmen zu dürfen.
Es gibt noch einen tieferen Sinn, warum ich dir diese Geschichte erzähle. Ich sehe Kastanien zwar, aber ich empfinde relativ wenig dabei. Sie sind halt da. So wie Eicheln am Boden liegen oder das Wasser im Bach fließt. Susanne hingegen geht schon das Herz auf, allein wenn sie an das erste Sammeln denkt oder darüber spricht. Das ist der Unterschied!
Im Herbst richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf das, was wir geerntet haben.  Aus diesem Anlass feiern wir Erntedank. Wir sagen Dank für die Ernte und für das, was eigentlich nicht selbstverständlich ist. Aber das sind Sätze für den Kopf und Sätze für die Moral nach dem Motto: „Sei dankbar!“ Was ist jedoch, wenn du diese Dankbarkeit nicht spürst? Wenn die Dankbarkeit nicht mit einer tiefen Freude verbunden ist. Es geht mir also nicht um den Appell: „Sei dankbar!“ Es geht mir um die Freude, die du spüren kannst, wenn du die frischen Kastanien siehst oder die duftenden Äpfel riechst.
Du nimmst mit allen Sinnen wahr. Du riechst die Kräuter, du siehst die Kartoffeln, du schmeckst die Birnen, du befühlst die Nüsse. Du tauchst ein in die Fülle von allem, was ist. Du bist ein Teil der Schöpfung!
Meine Leidenschaft dreht sich weniger um die Kastanie sondern mehr um die Kartoffel. Kartoffeln sprechen mit mir. Sie sagen mir: „Wir wollen zu dir!“ Ich sehe eine Kartoffel an und es kommt ein klares „Ja!“ oder ein „Nein!“ Bei Kartoffeln geht mein Herz auf. Ob gebraten oder gekocht, aus dem Ofen oder als Bestandteil im Eintopf ist egal. Allein die Vorstellung und das Bild davon lässt mich ein ganzes Buch darüber schreiben.
Und, wie steht es mit dir? Wenn du jetzt im Herbst das Obst und Gemüse siehst! Wo geht dein Herz auf? Wo wird deine Leidenschaft geweckt? Wo wirst du lebendig? Wo verlässt du den moralischen Appell an die Dankbarkeit und findest den Weg zur puren Lebensfreude? Welche Geschichte würdest du mir erzählen mit leuchtenden Augen?
Wenn ich diese Frage stelle kommt mir noch ein anderes Wort in den Sinn: „Hingabe!“ Sich der Freude hingeben, sich den Kastanien hingeben, sich einem tollen Essen hingeben, sich der Liebe hingeben. Das ist für mich ein zutiefst spirituelles und religiöses Erlebnis. Du wendest dich mit deiner ganzen Aufmerksamkeit und deinem Dasein etwas hin und gehst darin auf. Für einen Augenblick wirst du zur Kartoffel oder zur Kastanie oder zu deiner Geliebten.
Du lässt dein Sicherheitsbedürfnis los und deine Ängste. Du gehst hinein wie in einen Prozess von Auflösung und Ganzwerdung zugleich. Wenn du dich hingibst, dann machst du das ganz freiwillig. Ganz von dir aus und mit deinem ganzen Wesen. Und darin kommt etwas Göttliches zum Vorschein.
Gott selbst erlebe ich als leidenschaftlich und hingebungsvoll. Vielleicht kannst du dir vorstellen, dass es da zu einer tollen göttlichen Begegnung kommen könnte. Du und deine „Kastanie“ oder „Kartoffel“ oder was immer du auch liebst und für Wert erachtest, dich hinzugeben. So wünsche ich es dir, ganz in dieser „Erntefreude“ zu sein. 
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Donnerstag, 21. September 2017

Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!


Den Spruch kenne ich schon aus Kindertagen. Ich wollte draußen spielen und meine Mutter hinderte mich daran. Erst die Hausaufgaben machen! Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!
Damit schaffen wir einen Unterschied und bilden eine Polarität, die nicht hilfreich und lebensfördernd ist. Wir arbeiten also im Schweiße unseres Angesichtes, damit wir uns anschließend vergnügen können. Wir vergnügen uns, weil wir es uns redlich verdient haben. Du gehst also nach der Arbeit in die Eisdiele und sagst dir: "Das habe ich mir redlich verdient!" Das Vergnügen ist positiv, die Arbeit negativ!
Wenn du dir vorstellst, wie viele Stunden am Tag du arbeitest, dann kann dein Leben nur eine einzige Qual sein. Das gefällt mir nicht und ich möchte diese Polarität ein wenig aufweichen.
Ich habe eine vergnügliche Arbeit. Meine Arbeit macht mir Freude, sie "genügt", sie "vergnügt" mich. In meinem Vergnügen arbeite ich auch sehr gerne. Ich liebe arbeitsame Vergnügen wie kochen und bügeln. Mönche müssen sich stundenlang hinsetzen um meditieren zu können. Mir reicht dazu ein Bügeleisen und schon reise ich in die bunte Innenwelt. Es gibt ja auch Menschen, die betreiben vergnüglichen Sport. Dabei setzen sie sich körperlich so intensiv ein wie ein Straßenbauer oder ein Schmied. Der Schweiß läuft am Körper herunter und - es kann total vergnüglich und befriedigend sein.
Wenn ich aufhöre, solche Unterschiede zu machen, dann ist es auch egal, wie viele Stunden ich arbeite. Ich lebe ja! Ich verabschiede mich von diesem alten Glaubenssatz: "Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!" Ich sage: "Werde dir eines vergnügten Zustandes bewusst und dann tue was du willst!"
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Montag, 18. September 2017

Keine Panik! Und wenn doch?


Vor ein paar Tagen hielt mein Zug planmäßig an einem kleinen Bahnhof. Dann kam die vertraute Durchsage: "Unsere Abfahrt verzögert sich leider noch um wenige Minuten. Wir müssen einen ICE vorbeifahren lassen."
Aus den wenigen Minuten wurde eine Viertelstunde. Ich richtete mich auf eine längere Verzögerung ein und packte meinen Laptop aus. Statt zu warten wollte ich die Zeit gut nutzen. Dann kam eine erneute Durchsage: "Auf dem Steckenabschnitt vor uns ist ein ICE in einen auf den Gleisen liegenden Baum hineingefahren. Unsere Abfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit." Was war meine erste Reaktion? Kein Problem! Bis zu meinem Haus sind es zwanzig Minuten. Ich kann abgeholt werden. Ein kurzer Anruf genügt.
Die meisten Fahrgäste sprangen unmittelbar nach der Durchsage wie von der Tarantel gestochen auf und verließen fluchtartig den Zug mit dem Handy in der Hand. In wenigen Augenblicken waren Zug und Bahnsteig wie leergefegt. Ich brauchte noch ein paar Augenblicke, den Laptop wieder herunterzufahren.
Dann kam plötzlich die Zugbegleiterin in das Abteil: "Bleiben Sie sitzen! Es geht gleich weiter!" Unmittelbar auch die zentrale Durchsage: "Wir haben wieder freie Fahrt!" Für die flüchtenden Fahrgäste war es zu spät. Für mich nicht! Was lerne ich daraus?
Wenn es zu einer plötzlichen Überraschung kommt neigen wir Menschen zu Panikreaktionen. Unmittelbar und direkt möchten wir uns retten. Da kommen die tierischen Instinkte durch und wir haben das Gefühl, wir müssen sofort handeln. Aber müssen wir das wirklich? Es steht kein Löwe vor uns, der uns auffrisst. Es überfährt und gerade in diesem Augenblick kein Auto. Es besteht keine unmittelbare Todesgefahr. Aber unser Körper gibt diese Signale ab. Was tun stattdessen?
Einen Augenblick innehalten. Einen Atemzug nehmen und das ganz bewusst! Eine Verzögerung einbauen. Es geht darum, diesem Panikmoment für einen Augenblick zu widerstehen. Nach dem Atemzug öffnet sich quasi ein neues Tor. Es ist das Lösungstor! Nach dem Innehalten und dem bewussten Atemzug wirst du dir deiner Ressourcen und Möglichkeiten bewusst. Die waren nämlich für einen Moment ausgeschaltet.
Wenn du diesen Text jetzt liest, wirst du dich bei der nächsten Panik daran erinnern. Du gibst deinem Geist hier und jetzt den Impuls: Beim nächsten Mal innehalten und tief durchatmen. Zugleich fängst du schon jetzt an zu üben. Bei jeder Kleinigkeit wo du merkst, dass dein Puls hochgeht, hältst du inne und atmest. Du machst dir dein eigenes Angst- und Paniktrainingsprogramm. Dieses Programm beinhaltet nur einen Satz: "Innehalten und bewusst atmen!"
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Mittwoch, 16. August 2017

Die Aufpasserin!

Sie sitzt auf dem Rasen und hat einen Stuhl mitgebracht auf dem sie es lange aushalten kann. Die Sonnenbrille schützt sie vor der Sonne und macht sie auch ein wenig unsichtbar. Für viele Stunden schaut sie in eine ganz bestimmte Richtung. Ihr Schild um den Hals deutet darauf hin, dass sie zu einer Einrichtung oder einer Gruppe gehört. Sie ist keine Touristin. Wer schleppt schon Stühle mit durch die Gegend? Aufmerksam beobachtet sie etwas. Immer in eine Richtung.
Sie beobachtet ein Objekt in etwas Entfernung. Der Rasen verschluckt sie, so dass sie von dem Objekt aus nicht sofort gesehen werden kann. Jeder hätte die Möglichkeit, dieses Objekt zu zerstören. Wenn man schnell genug ist. Diese Frau bewacht ein Objekt der Skulpturenausstellung in Münster.

Und das ist das Objekt: Eine Skulptur von Justin Matherly mit dem Titel "Nietzsches Felsen". Auf dem Foto wirkt es jetzt ein wenig wie ein Zelt. Ich stehe also vor diesem Kunstobjekt und nehme eigentlich die Aufpasserin wahr.
Kunst ist bestimmt interessant und der Künstler hatte bestimmt ein Idee mit seinem Felsen auf Krücken und Gehhilfen. Aber mich interessiert diese Aufpasserin. Was denkt sie so den ganzen Tag? Muss sie oft eingreifen wenn die Leute das Kunsterwerk anfassen wollen? Darf sie in der Zwischenzeit lesen? Hat sie genug Wasser dabei? Lebt sie davon? Was bekommt sie so in der Stunde? Und was macht sie, wenn sie nicht Kunstwerke bewacht? Ist sie vielleicht selber Künstlerin und würde lieber ihre eigenen Skulpturen bewachen?
Die Aufpasserin führt mich hin zu einem Gedanken. In Filmen geht es immer um die Hauptdarsteller, die berühmten Persönlichkeiten. In der Politik und bei Vereinen schauen wir auf die Präsidenten. Die öffentlichen Kameras richten sich in der Regel auf die Hauptfiguren. Auf die kommt es scheinbar an! Aber ist das wirklich so?
Was würde ein Chefarzt ohne seine Team machen? Was ein Künstler ohne die Material-Lieferer? Ein Bundeskanzler ohne all die Sacharbeiter? Eine Ameisenkönigin ohne ihr Volk?
Je höher der Posten, desto wichtiger erscheint er uns. Desto mehr steht ein Mensch in der Öffentlichkeit. Alle schauen darauf. Aber mich interessiert, was da nebenbei geschieht. Das Verborgene. Das, worauf keiner achtet. Dort werden die Geschichten erzählt, die das Herz berühren. Wenn du also eine große Figur in der Weltgeschichte wärest, wärest du für mich nicht so wichtig. Aber ich finde dich interessant. So am Rande der Wichtigkeiten! Du hast eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die mich berührt. Das eigentliche Weltgeschehen wird von den Kameras nicht erfasst. Es geschieht im Verborgenen. Ich lade dich ein, mal dahin deine Aufmerksamkeit zu richten.
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Dienstag, 15. August 2017

Einmal wie Jesus auf dem Wasser gehen!

Ich besuche die Skulpturenausstellung in Münster. Eyse Erkmen installierte einen Steg, der die zwei Ufer des Kanals miteinander verband.
Scharen pilgern jeden Tag dorthin. Sie ziehen sich Schuhe und Socken aus und laufen über das Wasser. Der fast unsichtbare Steg macht es möglich. Die Leute sinken nicht ein. Sie staunen und haben Vergnügen. Was unterscheidet diesen Steg vom Wassertreten oder von Kneippschen Bädern?

Der Steg macht möglich, was sonst nicht möglich wäre. Ich darf ein mal auf dem Wasser laufen. Ein wenig Jesus spielen. Wunder werden demokratisiert. Die Geschichte wird neu geschrieben. Jesus lief einst übers Wasser. Ich auch!

"Ich auch!" Das erinnert mich an meine Kindheit. Meine Mutter fragte: "Wer möchte ein Eis?" Meine Schwester antwortete: "Ich!" Der Rest der Geschwister: "Ich auch!"

Wir alle wollen teilhaben am Leben. Wer möchte ein paar Sonnenstrahlen? Eine frische Tomate aus dem Garten? Eine duftende Scheibe Brot? Eine kleine Umarmung? Ein nettes Wort? "Ich auch!" Ich bin bedürftig! Manchmal merke ich das erst, wenn ich gefragt werde. Manchmal merke ich den Hunger erst, wenn ich beim Bäcker vorbeilaufe. Manchmal brauche ich eine Einladung zu einem Steg, der mich einlädt, in die Leichtigkeit des Seins zu gelangen.
Ich wandle auf dem Wasser und es trägt mich. Ich bin leicht, weil ich mich leicht fühle. Ich gehe auf dem Wasser und fühle mich leicht. Alle anderen fühlen sich auch leicht auf dem Wasser. Sie lächeln. Sie schmunzeln. Sie werden leichtsinnig! "Leicht" mitt allen "Sinnen"!

Eines Tages werden wir alle auf dem Wasser laufen. Ohne Steg! Wir gehen durch Wände als sei es selbstverständlich. Wir werden uns wundern, warum wir das Leben immer so schwer genommen haben. Wir könnten es leichter nehmen. Einfach jetzt anfangen. Vielleicht mit einem Besuch am Kanal in Münster?
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Montag, 14. August 2017

Schmecke das Leben, es ist köstlich!

In einem Café hängt ein Bild an der Wand von El van Leersum. Zwei Männer und zwei Frauen genießen und schwelgen. "Schmecke das Leben, es ist köstlich!" So die Bildunterschrift.

Manchmal dreht sich der Kopf und ich beschäftige mich den ganzen Tag mit dem Lösen von Problemen. Was machst du hier? Wie antwortest du da? Wem sagst du was in welcher Situation? Was sind die Auswirkungen? Während des Nachdenkens decke ich den Tisch, esse mein Brot und trinke den Kaffee. Später am Tag kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie viele Brote ich gegessen habe mit welchem Belag. Ich war zu sehr mit dem Denken beschäftigt.

Dabei habe ich doch nur dieses eine Leben. Vielleicht nur diesen einen Tag! Vielleicht mein letzter! "Schmecke das Leben, es ist köstlich!" Ich schmecke die Sonne! Ich schmecke den Regen! Ich schmecke die Vögel auf dem Rasen! Ich schmecke!
Ich schwelge und staune! Ich genieße und setze mich mitten hinein in das Leben. Ich schaue mir die üppigen Leute auf dem Bild an und proste ihnen zu. Schön, dass ich da bin! Schön, dass du da bist! Willkommen im Leben!
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Freitag, 11. August 2017

Kurze Unterbrechung!






Wenn du am Morgen deine Beine aus dem Bett hebst bleib für einen Moment auf der Bettkante sitzen und besinne dich: Was wünsche ich mir für den heutigen Tag?

Wenn du beim Frühstück in dein Brot beißt, mach eine kurze Pause. Was esse ich hier eigentlich?
Wenn du unterwegs bist, mach eine kurze Pause. Lass die Welt für einen Augenblick still stehen. Wenn du die Zeitung liest, mache beim Lesen eine kurze Pause. "Was habe ich da gerade gelesen?" Wenn du mit jemanden sprichst unterbrich deine eigene Rede und mache eine kurze Pause.
Mit jeder Unterbrechung wirst du dir deiner selbst gewahr. Du steigst aus aus dem Alltagsgeschäft und spürst dich selbst.
Wenn du anfängst wahrzunehmen kommst du in den Genuss des Hier und Jetzt
Ich wünsche dir den Genuss des Augenblicks, wo du dich unterbrichst um dir zu begegnen.

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Donnerstag, 10. August 2017

Das geht ja gar nicht!


Wieder einmal sind sich alle am Tisch einig. Eine spricht aus, was alle denken: Das geht ja gar nicht! Am Tisch entsteht Einvernehmen und Solidarität. Das geht ja gar nicht!
Ich saß zwar in der Nähe und bekam den Inhalt und Anlass der Aufregung leider gar nicht mit. Ich weiß nicht, was da "gar nicht ging". Irgendjemand hat irgendetwas gesagt oder getan, was unmöglich war. Abscheu und Verachtung hing wie eine Wolke über diesem Tisch. "Das geht ja gar nicht!" ist auch so eines dieser Modeworte. Mir gefällt dieser Satz. Du rufst ihn aus der Tiefe deines Bauches heraus im Brustton der völligen Überzeugung. Es gibt da keinen Kompromiss und kein Hauch eines Verständnisses. Auch das muss mal sein! Ewig wird erwartet, dass du Verständnis hast für andere Menschen oder bestimmte Situationen, aber wer hat Verständnis für dich? Mit einem solchen Satz wie "Das geht ja gar nicht!" kannst du auch gleich allen anderen Ärger, den du in dir gesammelt hast, mit nach oben spülen und herauslassen. Die schreckliche Tat dieses unmöglichen Menschen war nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.
Ich hole mir die Situation am Tisch wieder ins Bewusstsein. Das furchtbare Wort, die unmögliche Tat hatte ihre gute Seite. Solidarität und Freundschaft am Nachbartisch. Jawohl! Wir sind anders! Uns passiert so etwas nicht! Wir halten zusammen! Wir pflegen unsere Freundschaft! Wir sind tolerant und verantwortungsbewusst! Wir wissen noch, was Moral und Anstand ist!
Diese fremde Person, von der ich nichts weiß bis heute, hat ohne es zu wissen eine gute Tat vollbracht. Sie hat dafür gesorgt, dass sich mein Bewusstsein erweitert hat. Manchmal ist es gut, seinem Herzen Luft zu machen und den Ärger förmlich auszuspucken. Danach kann der Atem wieder frei fließen und du bekommst die Energie zum weitergehen.

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Montag, 31. Juli 2017

Der Ursprung vom Urlaub


Ich erlaube mir etwas!
Ich spreche mir selbst eine Erlaubnis aus!
Ich darf!
Ich bin heute gerne freundlich zu mir!

Wortaufdröselung von "Urlaub"
Ur und laub.
Ur wie Ursprung, Anfang, Grundsatz.
Laub wie Erlaubnis
Urlaub übersetzt heißt dann: "Der Ursprung von Erlaubnis"
Da, wo die Erlaubnis herkommt.
Wo sie entsteht.
Urlaub ist also die Zeit, wo ich wahrnehme, dass ich mich mit der Erlaubnis verbinde.
Sie existiert von Anfang an.
Vom Ursprung meiner Existenz her.
Ich erinnere mich einmal im Jahr daran, dass ich die Erlaubnis besitze, da zu sein auf dieser Erde. Diese Erlaubnis brauche ich von niemandem.
Ich bin Urlaub!
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Dienstag, 25. Juli 2017

Urlaub im eigenen Garten!


Wie haben die Menschen früher Urlaub gemacht? Gar nicht! Sie haben gearbeitet und hatten ein wenig freie Zeit. Sie ruhten sich aus am Abend vor dem Schlafengehen und am Sonntag nach dem Kirchgang. Zwischendurch ein zusätzlicher Feiertag.
Haben die Menschen früher etwas vermisst? Vermutlich nicht! Das Wort Urlaub war ja unbekannt. Die Menschen setzten sich bei schönem Wetter vor dem Haus und unterhielten sich. Vielleicht spürten sie die Erschöpfung in den Knochen. Sprachen über das Wetter und die Ernteaussichten. Erzählten sich Ereignisse aus der direkten Nachbarschaft und gingen zeitig ins Bett.
Die Bank vor dem Haus existiert nicht mehr oder ist verwaist. Wir packen die Koffer und verreisen. Luftveränderung. Raus aus den vier Wänden. Mal etwas anderes sehen. Abschalten vom Alltag. Also wird ein Urlaubsort ausgesucht. Die Reise planen. Packen, verreisen, ankommen ... und dann? Vor der Ferienwohnung auf einer Bank sitzen und über die Wetteraussichten spekulieren. Dann ca. 10 Tage ausruhen und wieder Sachen packen, zurückreisen, auspacken und ankommen. Sich erholen von der Reise. So kommen wir dann auf 10 Tage Erholung und mindestens vier Tage für Reisedurchführung.
Das können wir uns doch eigentlich sparen oder? Ich stelle mir für dieses Jahr vor, dass ich Urlaub mache. Ich setze mich am Samstag in mein Auto und fahre einmal um die Stadt herum zu meinem Urlaubsdomizil. Ich komme wieder zu Hause an und stelle mir vor, dass es meine Ferienwohnung ist. Ich steige aus und freue mich! Eine Ferienwohnung mit Waschmaschine. Eine Küche, die nach meinen Bedürfnissen eingerichtet ist. Es gibt schon Vorräte! Gemütliche Betten und Kleidung für jedes Wetter - genau in meiner Größe und meinem Geschmack! Ich mache Urlaub in der schönsten Ferienwohnung, die ich mir vorstellen kann.
Ich habe zwar den Eindruck, dass ich die Umgebung irgendwie kenne. Aber ich stelle fest, dass es zum Glück nicht so voller Touristen ist. Ich mache Urlaub unter Einheimischen. Keine Massen, die die Restaurants bevölkern und auf meinen Wanderwegen den Müll hinterlassen. Kein Geschrei und überflüssige nächtliche Diskotheken draußen. Ich gehe spazieren und nehme Kontakt mit den Einheimischen auf. Hier wohnen nette Menschen. Da könnte ich mich mit befreunden. Es ist schön hier und nichts los. Was kann es Besseres geben im Urlaub.
Die Anfahrt war wichtig! Ohne Anfahrt rund um das Dorf würde ich denken, dass das mein zu Hause ist. Dort, wo ich im Garten arbeiten muss. Dort wo in der Wohnung ständig eine Reparatur lauert. "Jetzt, wo wir Zeit haben, könnten wir ja mal..." Aber zum Glück bin ich ja nicht in meiner Wohnung. Ich bin verreist. Einmal um das Dorf herum. Ich bin erstaunt, wo man überall Urlaub machen kann!
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Montag, 24. Juli 2017

Mal ganz einfach im Urlaub!



Urlaubszeit! Du hast deine Reisepläne abgeschlossen und beginnst schon damit, in Gedanken deine Koffer zu packen. Was nimmst du mit? Wie komfortabel wird dein Ferienort sein? Gehörst du zu den Menschen, die eher irgendwo ihr Zelt aufschlagen, bist du ein Rundumverwöhner im Hotelzimmer mit Vollpension oder liebst du den Komfort und die Freiheit einer Ferienwohnung? Egal für welche Unterbringungsart du dich entscheidest, du musst deine Koffer packen und – dich beschränken. Du wirst nicht deinen kompletten Kleiderschrank und alle Küchenutensilien ausräumen. Das ist schlicht und einfach nicht möglich, wenn du auf Reisen gehst. Du musst auswählen! In diesem Moment wird der Urlaub schnell zur Tortur. Benötigst du eher Sachen für kalte oder für warme Tage? Wählst nach dem Zwiebelprinzip oder nach dem „Wir gehen abends gerne aus“ Modus? Planst du eine Waschmaschine vor Ort ein oder lieber eine waschfreie Zeit? Was ist mit Lebensmitteln und Dingen, die es im Urlaub nicht gibt, die du aber ganz unbedingt brauchst! Packst du deinen Föhn und das Bügeleisen auch ein?
Du nimmst Dinge in die Hand und packst sie in den Koffer. Du nimmst manches wieder heraus und packst es zurück in den Schrank. So geht es hin und her. Irgendwann bist du froh, den Koffer schließen zu können. Der Tag deiner Abreise beginnt. Es kommt der Augenblick, wo du im Auto sitzt. Die Angst kriecht hoch und  treibt dir noch einmal die Schweißperlen ins Gesicht. Hast du auch nichts vergessen? Ausweis, Geld, Versicherungskarte und Autopapiere? Dir fällt nichts mehr ein und dein Urlaub beginnt. Egal, ob du alles dabei hast, jetzt kannst du nichts mehr ändern! Du musst mit dem auskommen, was du eingepackt hast.
Am Urlaubsort angekommen richtest du dich ein. Das Meiste hast du eingesteckt, aber irgendetwas fehlt auch. 

Dem Fehlenden trauerst du dann etwas nach. Doch irgendwann nach ein paar Tagen stellt sich das Gefühl von Zeitlosigkeit und Gleichgültigkeit ein. Die Hemden reichen aus, alles ist halb so schlimm und du hast immer noch die Fähigkeit zur Improvisation. Das Gefühl vor der Abreise wird zu einer Erinnerung, die du gerne verdrängen möchtest. Auf einmal wird das Leben einfach! Du musst keine Kleidung vorführen und dein Hemd trägst du auch noch einen Tag länger. Ein bunter Salat macht dich glücklich. Du genießt die Sonne mit einem spannenden Buch am Strand oder eine Wanderung mit einem entspannten Gespräch und – alles ist gut. Das Leben kann so einfach sein! Du brauchst nur wenig zum Leben.
Im Lukasevangelium schickt Jesus einmal seine Jünger los. Sie sollen unabhängig von ihm Kranke heilen und das Reich Gottes verkünden. Und das ohne einen Geldbeutel, ohne Vorräte und ohne Schuhe! Sie sollen auf alle Sicherheiten verzichten und sich ganz auf das Wirken ihrer Persönlichkeit und die Kraft Gottes verlassen. Jesus preist die Schönheit der Lilien auf dem Feld und lädt uns ein, von den alltäglichen Sorgen Abstand zu nehmen. Es ist für dich gesorgt! Nimm einen Gang raus! Vertrau dem Heute und dem, was hier und jetzt da ist.
Stell dir vor, du würdest dich dazu entscheiden, dass dein Leben von jetzt ab immer so sein soll. Einfach, unkompliziert, verbunden, mit innerer tiefer Freude und in Übereinstimmung mit dir, mit Gott und der Welt. Auch, wenn dir das nicht durchgängig gelingt, gibt es doch immer wieder auch im Alltag solche Momente, wo alles einfach und klar wird. Das sind Augenblicke, wo du alles loslassen kannst und nichts festhalten musst.
Diese kostbaren Erfahrungen wünsche ich dir zu Hause oder im Urlaub.

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Freitag, 21. Juli 2017

Botschaft auf der Zuckerdose

Wir besitzen eine Zuckerdose von "Blond Amsterdam" mit dem Bild einer Torte und den Worten "bla bla bla". Erinnerungen steigen in mir auf.
Ich sitze draußen gemütlich mit der Familie vor einem Café. Wir plaudern über dieses und das. Nichts Weltbewegendes. Wer ist gestorben? Wer hat sich gerade wo etwas gekauft? Wer ist krank und wieder gesund? Da taucht vor meinem inneren Auge die Zuckerdose von "Blond Amsterdam" auf: Bla, bla, bla.
So ist das doch oft im Leben, nicht wahr? Du machst Konversation. Smalltalk. Bla bla bla - Gespräche. Es geht um nichts. Trotzdem führst du solche Gespräche - am Frühstückstisch, im Café, während der Autofahrt und in den Pausen am Arbeitsplatz. Bla, bla, bla...
Ich lese diese Worte auf dieser Zuckerdose. Regt sich bei dir gerade ein Widerstand? Ein Protest? Nach dem Motto: "Ich führe auch oft solche Gespräche, aber die sind auch wichtig. Es ist wichtig, über das Leben, die Ereignisse und die Gefühle zu sprechen. Sich austauschen und auf dem Laufenden sein!"
Ich lese wieder die Worte auf der Zuckerdose: Bla, bla, bla. Zuerst habe ich auch die Entwertung gelesen. Da verurteilt jemand die Haltung von lockeren Gesprächen bei einer Tasse Kaffee. Doch schnell legt sich mein eigener innerer Widerstand und ich bekomme eine Zustimmung. Bei "Bla bla bla" Gesprächen geht es nicht in erster Linie um den Inhalt, sondern um die Herstellung von Verbindung. Ich mache Beziehungsarbeit. Ich pflege Kontakte. Ich vergewissere mich, dass meine Familie mich noch mag und dass ich mich auf Freundin und Freund verlassen kann. Hauptsache reden, was auch immer. Und zwischendurch sich freundlich anschauen. Einen Augenblick schweigen. Sich zunicken und die Bestätigung bekommen: "Ja, ich bin dir immer noch gut. Unsere Beziehung hält!" Um das zu erreichen benötigst du mindestens ein Pfund "bla, bla, bla" - oder so viel Zucker, wie in diese Dose passt.
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Mittwoch, 19. Juli 2017

Pipi und AA

In Oberhausen sah ich dieses Hinweisschild: "PiPi und AA"! Da geht es zur Toilette. Ich musste lachen und fühlte mich zurückversetzt in meine Kindheit. "Mama ich muss AA!" Wenn ich das Thema google bekomme ich Hinweise zu Lautmalerei oder Kindersprache. Ich lasse von Mama die beiden "m" weg und es bleiben zwei "A" übrig.
Irgendwann fängt es an, dass wir für die komplette Verrichtung unserer Notdurft niemanden mehr brauchen. Wir können es ganz eigenständig. Ich weiß gar nicht mehr wie lange es gedauert hat, bis ich es ganz ohne Hilfe konnte. Vor einigen Jahren war ich im Porzellanwarengeschäft meines Dorfes. Die Verkäuferin an der Kasse sah mich und strahlte mich an. "Weißt du noch, wie ich dir im Kindergarten den Hintern abgeputzt habe? Ich war die Einzige, die das durfte. Nicht einmal die Erzieherinnen!" Und das rief sie laut vor allen anderen Kunden im Laden. Ich hatte keine Erinnerung und ich erkannte die Verkäuferin nicht einmal wieder.
Diese Begegnung löste in mir ein Gefühlsgemisch aus von Scham, Neugier und Hilflosigkeit. Das ist doch intim! Das sagt man doch nicht laut in der Öffentlichkeit! Aber so ist das! Wir sprechen nicht über die Geschichte, wie wir trocken wurden. Mit welchen Etappen und mit welchen Gefühlen. Ab wann fand ich es unerträglich, dass meine Eltern sich einmischten in mein intimes Leben?
In Oberhausen sah ich dieses Hinweisschild: "Pipi und AA!" Kein WC oder Toilette. Da stehen die Kindheitsworte laut und öffentlich. Die Erinnerungen werden wach und mein Herz klopft. Dann beruhige ich mich aber ganz schnell wieder. Alles ist gut!
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Dienstag, 18. Juli 2017

Bist du da?


Manchmal kommt jemand zu mir in die Beratung und spricht fast ohne Punkt und Komma eine gefühlt ewige Zeit über sein Leben. Und hier! Und da! Und das auch noch! Und das muss ich unbedingt auch noch sagen! Und dieser Mensch redet sich so hinein in sein Thema, dass etwas eigenartiges geschieht.
Dieser Mensch verschwindet. Da ist auf einmal niemand mehr da. Du kannst z.B. mit den Händen wedeln und diese Person reagiert gar nicht. Der Körper sitzt vor dir und du hörst auch die Stimme. Die Sätze sind sinnvoll und die Geschichte ist wirklich dramatisch. Dennoch sitzt dir niemand mehr gegenüber. Da ist etwas verschwunden. Genau das ist in diesem Satz ausgedrückt:

"Ich bin nicht da! Bin mich suchen gegangen. Wenn ich wieder da bin, bevor ich zurückkomme, sage mir: ich soll auf mich warten."

In uns gibt es verschiedene Persönlichkeitsanteile. Ein Teil von dir kann jetzt auf eine schöne Insel verreisen und ein anderer Teil sitzt körperlich am Schreibtisch. Ein "Ich" ist am Körper gebunden und ein anderes "Ich" verschwindet einfach so! Im Traum machst du es auch so, oder? Ein Teil von dir liegt im Bett und ein anderer Teil ist unterwegs in irgendwelchen Traumgeschichten.

Wann geschieht es, dass alle deine Teile einmal ungeteilt versammelt sind? Wie fühlt sich das für dich an? Was ist dann anders? Kennst du das auch, dass du im Zug sitzt, und die Landschaft an dir vorüberzieht. Irgendwann steigst du mit deinen Gedanken aus und bist in der Vergangenheit oder in der Zukunft oder du mäanderst hin und her. Dann ruft der Zugführer: "Wir erreichen Köln in wenigen Minuten." Ein Schauer geht durch deinen Körper und du erwachst. In wenigen Momenten hast du die Erinnerung an deine Traumbilder verloren und das "Traum-Ich" ist verschwunden.

Wie bekommst du es hin, dass alle deine "Ichs" gemeinsam da sind? In dem Augenlick, wo du ganz in der Gegenwart bist, ganz im Hier und Jetzt. Genau dann! Wenn dir jemand beim nächsten Gespräch das Ohr vollredet und du gar nicht mehr zuhören magst oder kannst, dann weißt du vielleicht: Am anderen Ende ist im Moment niemand mehr da. Dann sprichst du diesen Menschen mit Namen an. Du wiederholst den Namen. Du machst es so lange, bis er dich anschaut. Wenn dieser Mensch dich anschaut fragst du: "Bist du da?" Und du wirst merken, dass sich etwas verändert. Dieser Mensch ist auf einmal anders da und du auch. Es kommt zu einer Begegnung. Auge in Auge und Wort an Wort!
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Montag, 17. Juli 2017

Lange drücken

Auf einer Toilette in einem Museum fand ich diesen Hinweis: "Die Druckspülung bitte lange gedrückt halten!" "lange gedrückt" in roter Signalfarbe mit Ausrufezeichen. Da wollte ich doch mal die Druckspülung testen. Ich habe draufgedrückt und es kam Wasser. Kurz reichte aus. So fand ich. Länger drücken ginge auch. Aber lange drücken? Wie lange? Eine Stunde? Fünf Minuten?
Drei Erkenntnisse nehme ich mit. Lang oder kurz drückt eher eine Gefühlsqualität aus. Da hat jeder Mensch ein anderes Maß. Wenn ich es eilig habe, dann sind fünf Minuten für mich sehr lang. Wenn ich ein spannendes Buch lese sind zwei Stunden für mich sehr kurz.
Die zweite Erkenntnis: Manchmal gibt es keine schnellen Ergebnisse. Ich muss etwas lange genug machen. Lange genug den Topf putzen bis er sauber ist. Lange genug schreiben bis der Gedanke fertig gedacht ist. Lange genug Geduld haben mit einem Handwerker, den ich beauftragt habe. Lange genug warten, bis der Kaffee durchgelaufen ist. Lange genug den Kuchen im Ofen lassen bis er gar ist. Zugleich kann es auch zu lange sein. Dann bin ich über einen gewissen Punkt hinausgegangen. Habe den richtigen Zeitpunkt verpasst. Ich stelle mir einen Zeitstrahl vor. Auf diesem Zeitstrahl gibt es eine erste Markierung mit dem Hinweis: "lange genug" und einen zweiten Hinweis "zu lange". Dazwischen gibt es die Momente, die richtig sind.
Wohin tendierst du, wenn du dein Leben betrachtest? Bist du geduldig und lässt dir lange genug Zeit? Oder gehörst du zu denen, die den Kuchen kurz vor fertig herausnehmen. Kurz vor fertig die Arbeit beenden? Oder verpasst du den Augenblick und bist kurz nach "zu lange". Das Sonderangebot ist nicht mehr da! Der Kuchen etwas angekokelt. Der Bus vor deiner Nase weggefahren? Wo befindet sich dein "Lieblingszeitpunkt"?
Die dritte Erkenntnis: Manchmal muss ich drücken! Es tut sich nicht von allein. Ich kann vor der Kloschüssel warten und es kommt kein Wasser - es sei denn, es gibt eine Lichtschranke. Ich muss den Knopf drücken. An der Waschmaschine, am PC, am Kaffeeautomaten. Ich muss selber etwas machen. Ohne mein Signal geht es nicht los. Den Knopf an der Waschmaschine drücke ich in der Regel sofort. Ich kenne die Programme und es läuft. Aber am Fahrkartenautomaten fällt es mir schwer den richtigen Knopf zu drücken. Den Knopf, wenn es darum geht, das Geld zu bezahlen. Habe ich den richtigen Tarif? Den günstigsten? Wenn ich fahren will muss ich drücken. Es ist hilfreich, dabei nicht zu viel nachzudenken. Sich entscheiden bevor die Bedenken kommen. Wenn die Bedenken kommen und mächtig werden drücke ich die Knöpfe nicht mehr. Ich drücke nicht und es bleibt ein unbefriedigendes Gefühl übrig. Wer drückt bringt was in Bewegung!
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Freitag, 14. Juli 2017

Schluss mit den ewigen Vorwürfen!


Stell dir vor, dass du am Morgen aufwachst. In der Nacht ist ein Wunder geschehen. Eine Fee kam und hat dieses Wunder bewirkt. Die Fee hat das Wunder bewirkt, dass niemand in deiner Familie dir mehr Vorwürfe macht. Es gibt keine Sätze wie: "Du hättest aber..." "Du solltest..." "Du müsstest..." "Hast du noch nicht..." Woran würdest du merken, dass dieses Wunder eingetreten ist? Was würden deine Familienmitglieder stattdessen sagen. Wie würden sie aussehen? Wie auf dich wirken?

Vielleicht kommt dir dein Heim freundlicher vor. Zugewandter? Wohlmeinender? Und wenn dir niemand einen Vorwurf mehr macht und alle sich gegenseitig ermutigen und bestätigen - wie würdest du dann reagieren? Was würde sich bei dir ändern? Welche Sätze würdest du sagen? Wie würdest du dich fühlen?

Jetzt stell dir vor: Du gehst morgen ins Bett und wachst am nächsten Morgen auf. Du stellst fest, dass die Fee tatsächlich in der Nacht dieses Wunder bewirkt. Du wirst am Morgen aufwachen und dieses Wunder an dir bemerken. Du wirst keine Vorwürfe mehr machen. Es ist geradezu unmöglich für dich, einen Vorwurf zu formulieren. Du bist voller Verständnis und Mitgefühl. "Wir alle brauchen jemanden, der uns keine Vorwürfe macht!" las ich auf einer Spruchkarte. Zunächst dachte ich an einen anderen Menschen, der uns so annimmt wie wir sind. Und einer, der uns keine Vorwürfe macht. Diesen Menschen zu finden ist nicht leicht. Ist eher ein Geschenk! Und wenn du keinen Menschen mit dieser Qualität hast? Gehst du in den Mangel?

Wenn die Fee kommt und das Wunder bewirkt, dass du morgen in dir keine Vorwürfe mehr hörst dann hast du einen Menschen gefunden, der dir keine Vorwürfe mehr macht. Du selbst! Du machst dir keine Vorwürfe mehr! Fängt nicht alles damit an, dass wir gnädig mit unserem inneren Kritiker umgehen? Wenn wir aufhören mit unseren Selbstvorwürfen wird das etwas verändern. Die anderen werden auch aufhören, uns Vorwürfe zu machen. Wir alle brauchen jemanden, der uns keine Vorwürfe macht! Fang doch einfach mit dir selber an!
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Dienstag, 11. Juli 2017

Ferien vom Ich


Wie wäre es einmal mit „Ferien vom Ich?“ Immerhin steht die Urlaubszeit vor der Tür und die Urlaubsziele stehen hoffentlich fest. Den Alltag hinter sich lassen. Keinen Stress mehr! Keine Termine im Kalender! Super! Wirst du es genießen können? Bist du frei von Sorgen und Aufgabenpaketen? Fühlst du dich frei im Herzen? Oder wirst du deinen ganzen Gedankenmüll mit auf die Reise nehmen. Vielleicht möchtest du ja auch verreisen in der Hoffnung, am Urlaubsort dein Zeug loszuwerden. Der Nordseestrand sozusagen als Sammelplatz von Sorgenhaufen! ;-)
In meiner Erinnerung tauchte vor ein paar Tagen der Gedanke auf: „Ferien vom Ich“. Bei meiner Recherche stellte ich fest, dass so der Titel eines Buches von Paul Keller heißt. Eine Idee daraus wurde dreimal verfilmt. Ein gesundheitlich lädierter Milliardär steigt aus seinem reichen Leben aus und macht anonym eine Art Reha. Pause von den lästigen Kakerlaken, die nur sein Geld wollen. Flucht vor denen, die sich in der Sonne seines Reichtums mit bescheinen lassen möchten.
„Ferien vom Ich!“ Geht das überhaupt? Und wenn ja – wie? Und vor allem: Was hätte ich davon, wenn ich es täte?
In dem Spielfilm gehört ja zur Identität des Milliardärs sein Geld. Er macht also mal Ferien von seinem Reichtum und taucht ein in die einfache bürgerliche Welt. Bis zur armen Hütte reicht es allerdings nicht. Er bleibt „gutbürgerlich“.
Wenn ich Ferien vom Ich machen wollte müsste ich zuerst wissen, was denn zu meinem „Ich“ so dazu gehört? Ist das ein Ganzes? Besteht es aus Teilen? Wenn ich mit meinem Namen gerufen werde, dann rufe ich: „Das bin ich!“ Und ich meine mich irgendwie ganz. Ein Namensvetter könnte sich zur gleichen melden mit dem gleichen Satz. „Das bin ich!“ Ich bin dann immer irritiert wenn ich nicht gemeint bin. Für den Bruchteil einer Sekunde versinke ich in die Existenzlosigkeit. Ich bin für einen Moment nicht mehr da. Ich wache auf und denke: Menschen mit meinem Namen gibt es also viele.
Zu meinem „Ich“ gehören zugleich viele Teile. Mein Aussehen und das Bild, das ich selbst von mir habe. Da gehören meine Familienangehörigen zu und meine Freunde. Meine Ausbildungen und mein Beruf. Meine guten und meine schwierigen Kindheitserlebnisse. Meine Fähigkeiten und Eigenschaften, Meine Werte und meine Persönlichkeit. Meine Wünsche, meine Träume und meine Scham. All dieses und noch viele Teile mehr würden ein buntes Mosaik ergeben. Ich könnte da die Überschrift hinsetzen und sagen: „Das bin Ich!“ Auch wenn es mehrere Menschen mit meinem Vornamen gibt unterscheide ich mich doch recht deutlich. Ich stelle mich vor den Spiegel und erkenne mich wieder. Da sehe ich niemanden, der so ähnlich ist wie ich. Ich sehe mich selbst.
Wenn ich mein Lebensmosaik betrachte könnte ich auf die Idee kommen, dass das Mosaik irgendwie willkürlich ist. Gebastelt. Könnte auch anders aussehen. Mehr davon oder sogar weniger? Ich könnte im Urlaub mal reduzieren. Ganz schön viel, was ich da vom „Ich“ mit herumschleppen muss. Ständig erwartet jemand etwas von mir. Und ich möchte zugleich meinem eigenen Bild entsprechen. Es gehört ja zu meinem Ich dazu. Ich gehe regelmäßig zur Arbeit. Ich möchte mich selber so sehen und auch, dass die anderen mich so wahrnehmen. Ich bleibe nicht einfach so zu Hause! Ich bin ein Freund und entscheide mich nicht, mal jeden zweiten Tag ein Feind von meinem Freund zu sein. Die vielen Puzzleteile meines „Ich“ stärken meine Identität und geben mir Halt und Sicherheit. Sie bilden einen Rahmen, so dass ich nicht auseinanderfalle. Wer wäre ich denn ohne all diese Teile meines Ich-Mosaikes?
In meinen Beratungen fällt mir auf, dass manche Menschen sich auf eine eigenartige Weise selbst beschreiben. Sie sagen zum Beispiel nicht direkt und einfach: „Ich mag gerne Milch.“ Oder „Ich komme oft zu spät.“ Sie sagen stattdessen: „Ich gehöre zu den Menschen, die immer noch Milch trinken.“ Sie fühlen sich einer Art Gruppe zugehörig. Die Gruppe der „Milchtrinker “ oder der „Zuspätkommer“. In einer Gruppe kann man gut abtauchen oder sich verstecken. Oder durch die „Gruppe“ fühlt sich der Mensch nicht mehr so allein und unverstanden. Zugleich klingt es wie eine Rechtfertigung oder Aufklärung. Ich selbst höre allerdings immer auch mit: „Ich gehöre zwar zu den Menschen, aber ich weiß nicht, ob das wirklich so stimmt. Und ich schäme mich ein wenig dafür!“ Ich höre also eine gewisse Unsicherheit mit. So jemand könnte ja auch mal diese Gruppe verlassen. „Ich gehöre zu den Menschen, die Milch trinken. Aber jetzt verlasse ich die Gruppe, weil es für mich nicht mehr so notwendig ist.“
Wenn ich mir mein „Ich-Mosaik“ betrachte komme ich zugleich auf die Idee, dass es da Teile gibt, die schon lange nicht mehr so richtig passen. Teile, die früher mein „Ich“ ausgemacht haben, die ich immer noch mit mir herumschleppe, obwohl ich es nicht mehr bin. Wenn ich meine Eltern besuche, dann bin ich immer noch „Sohn“. Ich fühle mich dann auch manchmal wie 10 oder 15 Jahre. Ich finde das nicht angemessen. Klar bin ich immer noch Sohn für meine Eltern, aber erwachsener Sohn und nicht kindlicher Sohn. Dieser hilflose „Ich“-Anteil ist aber immer noch lebendig und wartet auf einen angemesseneren Platz.
In meinem „Ichmosaik“ kommen manchmal Dinge hinzu und manchmal verschwindet auch was. Mein „Kirchen-Ich“ hat sich im Laufe der Zeit stark reduziert. Manchmal leuchtet er noch auf. Aber vor ein paar Jahren machte der noch einen ganz großen Teil meines Lebens aus. Mein „Ich“ ist also gar nicht so starr festgelegt. Ich dachte lange Zeit, dass ich alle diese Anteile brauchte. Sie gehören zu mir dazu. Ich brauche sie. Dann stellte ich fest, dass ich weiter existierte, auch wenn bestimmte Ich-Anteile verschwunden sind. Trotz weniger „Kirchen-Ich“ existiere ich noch. In die freigewordene Lücke findet sich schnell ein neuer Anteil. Mein Mosaik ist selten leer.
„Ferien vom Ich!“ Ich könnte mal anonym irgendwo Urlaub machen. Da könnte ich dann meine Geschichte verbergen, meinen Namen, meinen Beruf und meine sozialen Verbindungen. Wer wäre ich dann stattdessen? Was bliebe von mir noch übrig? Würde es mir damit gut gehen? Immerhin bekomme ich ja ganz viel Zuwendung für mein „Ich-Mosaik“. „Toll, dass du so ein schönes Haus hast!“ „Du hast ein tolles Brot gebacken. Schmeckt fantastisch!“ Der Zuspruch und die Anerkennung stärken mein „Ich!“ Wenn ich jetzt anonym in den Urlaub fahren würde, bekäme ich möglicherweise keine Anerkennung mehr. Mein Ich würde nach und nach verhungern. Demnach müsste ich dich warnen, Ferien vom Ich zu machen. Das wäre ein höchst riskantes Unternehmen. Du müsstest jemanden mitnehmen, der auf dich aufpasst!
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Menschen, die bewusst in die Einsamkeit, in die Wüste gehen. Da wird das „Ich“ entlarvt. Ausgehungert! Da zählt nicht mehr, was du kannst und wer du bist! Kannst du dir vorstellen, Ferien vom Ich zu machen? So wie Jesus – vierzig Tag ab in die Wüste?
Ich brauche also mein Ich. Es hält mich aufrecht, gibt mir Identität und stabilisiert mich. Nicht umsonst ist es schwer für einen Ehepartner, wenn nach vielen Jahren die „andere Hälfte“ geht. Wer ist die Frau ohne den Ehemann und umgekehrt? Bei der Trauer geht es nicht nur um den Abschied, sondern auch um die Aufgabe, sich wieder selbst zu finden. Wer bin ich ohne den anderen?
„Ferien vom Ich!“ Macht es nun Sinn? Unter bestimmten Voraussetzungen schon. Dann kann es sogar heilsam sein. Es kann ja passieren, dass ich mich einfach zu sehr in meine Arbeit vergraben habe nach dem Motto: „Arbeit ist alles!“ Dann kann ich mich in den Ferien für eine Auszeit entscheiden um wieder in einen Normalmodus schalten zu können. Oder ich hatte gedacht, dass zu meinem „Ich“ gehört, dass ich ständig mit vielen Leuten im Kontakt sein muss. Hier ein Anruf, da ein Treffen, noch ein Whatsapp. Ich mache Ferien von meinen Kontakten und ... stelle fest, dass ich vielleicht ein Junkie bin. Ich bin abhängig davon, dass das Leben um mich herum zirkuliert. Ich bin, weil die anderen sind. Ich könnte Ferien machen von diesem Teil meines Ich. Vielleicht wird es auf einmal still. Beängstigend still. Ich spüre die Leere. Halte das Schweigen aus. Überlebe es. Merke meine Abhängigkeiten. Mache einen ordentlichen Entzug und nehme mir die Zeit, wieder mich selber mehr zu spüren. Ich kann es mit mir aushalten, auch wenn nichts läuft.
Ab und zu einmal Teile meines Ich in die Ferien schicken. Um Platz zu schaffen für neue Impulse. Ich erlaube mir eine Weiterentwicklung. Gebe auf, was ich nicht mehr wirklich brauche und halte mal eine Lücke aus.
Wir müssen ständig Teile unseres Ich aufgeben. Eines Tages verabschieden wir uns vom Beruf, von den Kindern, von Freunden und Verwandten, von der Gesundheit, von Gepflogenheiten, von Häusern... Was bleibt von mir, wenn alle Ich-Anteile sich verabschieden? Breche ich zusammen? Löse ich mich auf? Gibt es etwas hinter allen „Ich-Anteilen“, was mit mir zu tun hat? Auf einer tieferen oder höheren Ebene? Verschwinden die Teile und es bleibt trotzdem das Ganze?
Wenn ich nach und nach meine Ich-Anteile loslassen kann werde ich vielleicht erfahren, dass ich mich nicht auflöse sondern auf einer tieferen Ebene mehr zu mir selbst komme. Zu meinem Selbst. Zu meinem Ursprung und Ziel, zu dem, was jenseits meiner Masken und der Materie liegt. Dort, wo ich „eigentlich“ bin. In meinem Eigenen.
„Ferien vom Ich?“ Eine interessante Ergänzung zu dem Satz „Ich mache Ferien!“ Wir legen ja viel Wert auf die „Ferien“. Wo fahre ich hin? Wie lange und mit wem? Viel weniger fragen wir: „Wer ist das Ich, das Ferien macht..“ oder „Welches Ich macht da jetzt Ferien?“ Da gibt es ja ein „Ich“, das sich ständig überlastet und gestresst fühlt. Dieses Ich braucht eine Pause. Aber das „Ich“ der Beziehungen hat das vielleicht gar nicht nötig. Das braucht keine Ferien. Das „Ich“ der Freundschaft findet Urlaub vielleicht völlig überflüssig oder sogar bedrohlich. Früher machten die Menschen auch keine Ferien und haben nichts vermisst. Vielleicht bekommst du jetzt eine Ahnung, warum reisen für dich unangenehm ist. Du hast es nur nie zugegeben oder zugelassen, weil alle Welt Urlaub toll findet. Dein „Geborgenheits-Sofa-Ich“ will nicht weg!
Für das „Ich“ der Beziehungen kann Urlaub ganz schädlich sein. So weit weg von den Menschen, die du liebst! Wir sollten nicht die Menschen bedauern, die nicht wegfahren. Die pflegen ihre anderen „Ich“-Anteile, welche auch immer das sind.
Ich besaß bislang übrigens kein „Garten–Ich“. In meiner Kindheit war das die Aufgabe meiner Eltern. Gartenarbeiten fand ich furchtbar. Später im Leben wohnte ich immer zur Miete ohne Garten. Jetzt entwickle ich seit ein paar Wochen ein Garten-Ich. Ich hätte nie gedacht, dass das zu einer Facette meines Lebens gehören würde. Noch schaue ich ein wenig irritiert dabei zu und schüttle den Kopf. Ich benutze lauter Geräte, zu denen ich bislang kein Verhältnis hatte.
Aber besteht nicht das Abenteuer des Lebens darin, ständig neue Ich-Anteile zu entdecken und zu entwickeln? Das bin ich und das bin ich auch. Das eine war ich einmal und das andere bin ich nicht mehr. Das könnte ich noch werden, muss es aber nicht. Und alle diese Anteile vom Ich sind nur vorläufig und keines davon ist endgültig. Und viele werden zusammengehalten von der Angst.
Die Angst, dass ich aufhören könnte zu existieren, wenn das „Ich“ nicht mehr da ist. Und das ist wohl die größte Herausforderung an mich.  
Und? Machst du Ferien? Möchtest du Ferien machen vom Ich? Von einem Teil davon? Oder ist dieser Gedanke für dich abwegig und fremd? Ich wünsche dir auf jeden Fall eine Ferienzeit, in der du gut mit dir sein kannst, mit welchen Anteilen oder welchem Ich auch immer. Die Fußballvereine nutzen die Zeit, ihre Mannschaft neu zu sortieren. Nach dem Sommer fängt eine neue Saison an. Wer wird dabei sein?