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Samstag, 18. Mai 2024

Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)


Das Unmögliche zu schaffen ist eine große Herausforderung. Das Unmögliche zeichnet sich darin aus, dass es halt unmöglich ist - jenseits meiner Möglichkeiten. Ich kann unmöglich Frieden in Syrien schaffen. Es ist unmöglich für mich, meinen Chef auszutauschen. Ich kann mir keine anderen Eltern aussuchen. Und ich kann das Gerät, das die Lottozahlen zaubert, nicht beeinflussen. Tausende von Dingen entziehen sich meinen Möglichkeiten. Wenn ich das Unmögliche aber unbedingt will, dann renne ich da wie gegen eine Wand. Ich frustriere mich ständig selbst und gerate schnell in eine tiefe Depression.
Franz von Assisi empfiehlt mir, erst das Notwendige zu tun. Also das, was die Not wendet. Ich kann dafür sorgen, dass ich Wasser bekomme für meinen Durst. Ein Stück Brot für meinen Hunger. Eine Umarmung von einem Menschen, der mir seine Aufmerksamkeit schenkt. Wenn ich mich um das Notwendige kümmere, dann sorge ich erst einmal gut für mich. Ich sammle im übertragenen Sinne Sonnenstrahlen. Ich bewege meine Seele im Raum von Erfüllung und nicht von Mangel.
Allein darin liegt das große Geheimnis: Ich frustriere mich nicht angesichts der Unmöglichkeiten, sondern ich beginne mit dem, wo ich beginnen kann.
Wenn ich einmal angefangen habe, mich um das Notwendige zu kümmern, sehe ich die Möglichkeiten. Wenn der erste Schritt geht, dann geht irgendwo und irgendwie auch noch ein zweiter Schritt. Eben ein möglicher Schritt. Ich gehe Schritt für Schritt und Möglichkeit für Möglichkeit. Ich bewege mich immer mehr im Bereich von Leben, Liebe und Fülle. Und ohne, dass ich dafür extra arbeite eröffnet sich der Raum der Unmöglichkeit. Die Unmöglichkeit wird dir geschenkt.
Franz von Assisi zeigt mir, wie menschliches und göttliches zusammenwirken kann. Die göttlichen Seiten in mir erschaffen das Unmögliche. Sie sind aber darauf angewiesen, dass ich mit meinen menschlichen Möglichkeiten arbeite. Ich kann mich nicht einfach resigniert hinsetzen und warten, dass das Wunder geschieht. Das Wunder zeigt sich oder auch nicht im Gehen meines Weges. Wie bei einer Wanderung gehst du um eine Biege und es öffnet sich ein neuer Blick. Wenn du das Notwendige zuerst tust, hast du schon alles gemacht. Die Not ist vorüber. Du kannst aufatmen und gelassen weitergehen. Für heute wünsche ich dir viel Wunder und die Freude und die Kraft für die notwendenden Schritte.
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Freitag, 17. Mai 2024

Wenn jeder bekommt was er braucht, wird Gerechtigkeit überflüssig. (neudeutsche Weisheit)

Der Nachtisch wurde bei uns zu Hause stets gerecht verteilt. Die große Schüssel mit Quark kam auf den Tisch, dazu die kleinen Dessertteller. Dann nahm Mutter einen großen Löffel und zählte ab. Fünf Löffel für jeden. Wir fünf Kinder verfolgten mit den Augen das Schauspiel. Schafft Mutter es, alles gerecht zu verteilen? Wir hätten die Teller auf eine Waage stellen müssen, dann hätten wir es wirklich gewusst. So mussten wir unseren Augen und den Fähigkeiten der Mutter vertrauen.
"Das ist nicht gerecht!" Diesen Protestruf habe ich im Laufe meines Lebens so häufig gehört sei es von Kindern oder Erwachsenen. Das Leben ist eine Tummelwiese von großen und kleinen Ungerechtigkeiten. Immer wieder fühlen Menschen sich ungerecht behandelt. Der Andere hat mehr bekommen als ich! Der Eine lebt im materiellen Wohlstand, obwohl er es "nicht verdient" hat und der Andere lebt in Armut, wo er doch so fleißig ist.
Die Dessertverteilung habe ich als Kind zwar als sehr gerecht empfunden. Es war aber auch anstrengend! Du musstest immer deine Augen aufmachen. Du musstest messen, zählen, abwiegen und vergleichen.
Dabei gerät völlig aus dem Bewusstsein, dass du vielleicht gar nicht so viel möchtest oder brauchst. Aber du nimmst dir den gerechten Anteil, damit du nicht übervorteilt wirst.
Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Welt gerecht zu gestalten. Gerechtigkeit bleibt subjektiv, ist abhängig vom jeweiligen Beobachter. Du hast Glück oder weniger Glück. Du lebst im falschen Land auf dem falschen Kontinent. Du lebst in der benachteiligten oder privilegierten Schicht. Am Thema Gerechtigkeit kannst du ein ganzes Leben abarbeiten.
Jetzt stell dir einmal die Alternative vor am Beispiel meiner Quarkschüssel. Jeder am Tisch bekommt so viel wie er braucht. Was wird geschehen? Macht die Angst sich breit, dass es für mich nicht genug gibt? Dass jemand vor mir den Teller sich vollmacht ohne Rücksicht auf Verluste? Wenn mein Nachbar ein solch großes Bedürfnis hat und so viel braucht, warum nicht? Mag er es doch nehmen!
So einfach wird es doch nicht gehen. Es würde Sinn machen, vorher darüber zu sprechen, was jeder braucht. Dann kann man abschätzen, ob der Vorrat reicht. Es geht dann darum, das einzelne Bedürfnis in den Blick zu nehmen und das Gesamtbedürfnis aller. Das muss besprochen und verhandelt werden. Ich habe die erstaunliche Feststellung gemacht, dass es bei solchen Experimenten immer mehr als genug war!
Wenn am Ende dann jeder bekommt was er braucht, wird Gerechtigkeit überflüssig. Der Wunsch nach Gerechtigkeit schaltet sich ja erst ein, wenn das Bedürfnis des Einzelnen nicht genug berücksichtigt wird. Ist es sinnvoll, für eine gerechte Welt zu kämpfen? Oder macht es mehr Sinn, sich dafür einzusetzen, dass jeder das bekommt, was er zum Leben braucht. Ich glaube nicht, dass ich die Welt gerechter machen kann, aber ich kann meine Augen und mein Herz öffnen für die Bedürfnisse der Menschen, mit denen ich Kontakt habe.
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Donnerstag, 16. Mai 2024

Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling. (Laotse)

Eine Einladung am Silvestergag! In der Wahrnehmung der Raupe erleben wir das Ende der Welt. Die Raupe lebt in dem Bewusstsein, dass sie ihr Leben beendet mit dem Einpuppen. Sie kann in der Raupenexistenz nicht wahrnehmen, dass sie eigentlich ein Schmetterling ist.
Am Silvestertag sind wir es gewohnt, Rückblick zu halten. Wie war 2021? Was hat dich erfreut? Wo war es schwer? Wofür bist du dankbar? Was möchtest du loslassen? Rückblick ist der Blick in die Vergangenheit. Es ist vergangen. Nicht mehr existent.
Ich kann den Silvestertag aber auch sehen als den Zeitpunkt der Verpuppung. Ich verpuppe mich heute und wache morgen als Schmetterling auf. Ich bin also eigentlich ein verborgener Schmetterling. Worin besteht der Unterschied, wenn ich mich als Raupe wahrnehme oder als Schmetterling? Wie werde ich mich fühlen und wie nehme ich die Welt wahr in dem Einen oder in dem Anderen? Als Schmetterling werde ich ich mich leicht fühlen und durch das neue Jahr fliegen und schweben. Ich werde Blumen erobern und Welten erkunden. Ich werde mich satt trinken an Farben und Düften. Ich werde meine enge Welt verlassen und mich auf das Abenteuer Leben einlassen. Das werde ich 2022 auf jeden Fall machen. Und heute am Silvestergag entscheide ich mich dafür. Ich entscheide mich dafür, auf jeden Fall ein Schmetterling zu sein. Nur noch einmal schlafen und ich breche die Verpuppung auf. Zugleich warte ich nicht bis morgen. Auch wenn ich noch eine Puppe bin, lebe ich im Bewusstsein eines Schmetterlings.
Mögest du mit Leichtigkeit in den Tag und in die Nacht gehen. Dich verpuppen und wieder aufwachen. Du bist ein göttlicher Schmetterling in einmaligen Farben und Formen.
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Mittwoch, 15. Mai 2024

Die Schönheit im Herzen eines Menschen ist erhabener als diejenige, die man mit Augen sehen kann. (Khalil Gibran)


Ich verlasse mich zu oft auf meine Augen. Die sind inzwischen unheimlich geschult und beeinflusst von Medien und Werbung. Ständig sehe ich, was meinen Augen gefallen soll. Welche Farben passen zusammen. Was ist modern. Was muss Frau, Mann tragen. Ich sehe Kitsch in den Billigshops und Edles in Designerläden. Meine Augen werden ständig herausgefordert, etwas schön zu finden.
Meine Augen werden überflutet.
Auch Menschen werden "schön" gemacht. Wie groß oder klein dürfen sie sein und wie dick oder dünn? Wie ist das Gesicht geformt, wie die Haarfarbe? Ich sehe manchmal auf Zeitschriftencovers Frauen, die einen Schönheitspreis gewonnen haben. Ich frage mich, warum diese so außergewöhnlich schön sein sollen. Warum schöner als andere?
Khalil Gibran betrachtet die Schönheit im Herzen eines Menschen. Die findet er erhaben. Das gefällt mir sehr. Ich sehe viele Menschen an und sehe im Gesicht und in den Augen ihre Geschichte. Sehr ausdruckstark und total lebendig und sehr liebenswert. Sie wirken so, als öffneten sie ihr Herz und geben mir die Erlaubnis, da reinschauen zu dürfen.
Ach, könnten wir das doch alle. Die Schönheit im Herzen der Menschen sehen! Ich bin mir sicher, dass es nur schöne Herzen gibt. Ich sitze gerade im Zug und die Sitzplatzreservierung ist ausgefallen. Eine ältere Frau, die nicht reserviert hat fragt mich gerade, ob sie sich setzen dürfe. Sie musste schon einmal von einem Platz aufstehen. Ich schaue in ihr Gesicht und nehme freundliche Gelassneheit wahr und eine warme und wärmende Zugewandtheit. Das empfinde ich als Geschenk.
So manche werbetechnisch schöne Menschen darf ich nicht ins Herz schauen. Ich würde es gerne. Aber da gibt es einen Verschluss. Gibran empfindet die Schönheit im Herzen der Menschen "erhaben". Wenn du dich erhaben fühlst, dann macht dich das größer. Die Schönheit des Gegenüber macht dich also selber schöner. Mögen viele Menschen dir die Erlaubnis geben, ihre innere Schönheit mit dir zu teilen, so dass du wächst und deine eigene Liebenswürdigkeit darin entdecken kannst.
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Dienstag, 14. Mai 2024

Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern eures Wissens schlummert. (Khalil Gibran)


Auf welche Sätze reagierst du? Wann wirst du allergisch? Wann ärgerst du dich dich? In welchen Situationen freust du dich? Es kann nur etwas auf fruchtbarem Boden fallen, wenn es eine Resonanz gibt. Sonst wärest du gleichgültig.
Oft lese ich in einem Buch und denke: Woher kennt der Autor meine eigenen Gedanken? Das, was er schreibt, habe ich selber immer schon gedacht! Endlich lese ich es schwarz auf weiß. In meinem Theologiestudium habe ich viele Bücher gelesen. Viele fand ich totlangweilig. Es weckte in mir keine Resonanz. Ich fand, daß theologische Bücher spannend sein müssten. Schließlich geht es um Gott. Alles, was mit Gott zu tun hat, stellte ich mir völlig außergewöhnlich vor. Jeden Roman fand ich aber interessanter. Da konnte ich mich drin verlieren. Aber sich verlieren in ein theologisches Buch?
Dann las ich die "Strukturen des Bösen" von Eugen Drewermann. Sicher kein spannendes Buch für einen "Nichttheologen". Aber mir fielen damals fast die Augen aus dem Kopf. So kann man auch Theologie machen? Da spricht jemand von Angst und Liebe. Da wurde die Theologie auf einmal existentiell. Es ging um Leben und Tod. Eugen Drewermann hatte etwas angesprochen, was ich immer schon dachte. Ich wurde auf einmal lebendig. Andere Mitstudenten konnten mit Drewermann nichts anfangen. Überzogen! Fremd! Unwissenschaftlich! Sie ahnten wahrscheinlich irgendeine Häresie zwischen den Zeilen.
Es schlummert etwas in mir. Gedankenfetzen, Ideen, Bilder, Archetypen. Ich bin kein unbeschriebenes Blatt. In Geheimtinte steht da schon etwas geschrieben. Wenn ich mir dessen nicht bewusst bin, werde ich immer im Außen schauen. Dabei wäre es gut, wenn ich für mich die Verantwortung übernehmen würde. Es ist mein Boden, auf dem etwas fällt.
Manche denken ja: "Du hast mich verführt. Du bist Schuld!" Dabei kann ich nur verführt werden, wenn ich verführbar bin. Ich stelle mir vor, dass ich die Geheimtinte auf meinen Lebenspapieren mehr und mehr sichtbar mache. Dann reagiere ich nicht mehr automatisch! Ich kann mich neu entscheiden. Meine Aufgabe besteht darin, das Dämmern zu beenden. Und dazu habe ich ein ganzes Leben lang Zeit.
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